Teilnehmer und Moderator des E-Vergabe-Tag NRW 2021

V.l.n.r.: Dr. Stefan Mager, Johanna Reinker, Ralf Sand, Carsten Eschenröder, Dr. Moritz Philipp Koch, Norbert Dippel, Daniel Förster.

Fachwissen zu Vergaberecht und zur E-Vergabe-Praxis von Experten für Experten: Mit diesem bewährten Konzept fand unter der Schirmherrschaft des Ministeriums der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen der 14. E-Vergabe-Tag NRW am 26. August 2021 in Bochum statt. Die rund 400 Teilnehmer*innen – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Vergabestellen der Kommunal- und Landesverwaltung – erhielten technisch wie rechtlich eine aktuelle 360°-Sicht auf die E-Vergabe in Nordrhein-Westfalen sowie rechtliche Fragestellungen rund um die E-Vergabe, Rahmenverträge & Co.

Lediglich auf den persönlichen Austausch musste erneut verzichtet werden: Die Fachveranstaltung fand – wie schon im Vorjahr – „nur“ digital statt, was sowohl die d-NRW AöR als auch die cosinex als organisatorische Veranstalter zwar bedauerten, für 2022 aber vorsichtig optimistisch die Rückkehr zu einer Präsenz- oder Hybridveranstaltung ankündigten.

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Die digitale Unterstützung des öffentlichen Auftragswesens über vergabe.NRW

Nach der Eröffnung der Fachveranstaltung und Begrüßung durch Johanna Reinker von der d-NRW AöR schilderte Ralf Sand vom Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen und Projektverantwortlicher für das Portal vergabe.NRW in seinem Vortrag, wie umfassend das Portal heute bereits das öffentliche Auftragswesen in der Landesverwaltung und auch in den Kommunen in Nordrhein-Westfalen unterstützt. Besonders die neuen Module Bedarfsmanagement und Vertragsmanagement befinden sich im Rollout in der Landesverwaltung und stoßen auf ein äußerst positives Echo.

Zudem gab Herr Sand einen Ausblick auf die geplante Entwicklung der kommenden Monate, u.a. mit vertieften Statistik- und Auswertungsmöglichkeiten; auch etwaige Anforderungen, die sich aus dem Onlinezugangsgesetz ergeben, finden selbstverständlich Berücksichtigung.

Den Bietern Treffsicherheit ermöglichen

So wie der Bogenschütze gerne weiß, wo die Zielscheibe steht, so geht es auch den Bietern“, illustrierte anschließend Dr. Stefan Mager von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH seine Best Practice-Darstellung zur Strukturierung von Vergabeunterlagen. „Sie wollen treffen und passgenaue Angebote einreichen.“

Den meisten Wert legt die Rechtsprechung darauf, dass die Bieter wissen, worauf es dem Auftraggeber bei Auswahlentscheidungen ankommt.

Was das im Detail bedeutet, vermittelte Hr. Dr. Mager anschaulich anhand zahlreicher Fragen aus der Praxis: Müssen wirklich alle Eignungskriterien in die EU-weite Bekanntmachung? Ja (VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20. März 2020). Kann ich bei der formalen Eignungsprüfung mal ein Auge zudrücken? Nein. Der Vergabestelle steht kein Wertungsspielraum zu (VK Münster, Beschluss vom 29. September 2020).

Dr. Mager machte deutlich: „Den meisten Wert legt die Rechtsprechung darauf, dass die Bieter wissen, worauf es dem Auftraggeber bei Auswahlentscheidungen ankommt – und auf die Verlässlichkeit des Auftraggebers.

Potenziale und Grenzen von Rahmenvereinbarungen

Rahmenvereinbarungen gelten als besonders flexibles Instrument im Vergabewesen – aber sind sie es auch? Dr. Moritz Philipp Koch, Referent in der Vergabestelle bei IT.NRW ging auf ihre Potenziale, Grenzen und Hürden ein – so etwa die Festlegung von Höchstmengen (sog. „Obergrenzen“) und die Unzulässigkeit weiterer Abrufe nach Überschreitung des geschätzten Auftragswerts. Gerade die jüngste Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 17. Juni 2021, C-23/20 – wir berichteten) zu Höchstmengen habe der Flexibilität Grenzen gesetzt und das Risiko von Rügen und Nachprüfungsanträgen erhöht.

Dr. Koch gab in seinem Vortrag praxisnahe Empfehlungen zur Ermittlung und Dokumentation des geschätzten Auftragswerts sowie zu den Bedingungen für etwaige Einzelaufträge und deren Festlegung in der Rahmenvereinbarung. Abschließend ging er auf die parallele Nutzung mehrerer Rahmenvereinbarungen und die Frage ein, ob das Verbot der Mehrfachvergabe nach neuem Vergaberecht ausnahmslos gilt.

Ein Blick hinter die Kulissen der Softwareentwicklung

Carsten Eschenröder, Bereichsleiter Produktmanagement bei cosinex, gab nach einem Rückblick auf die zahlreichen, in den letzten zwölf Monaten implementierten Funktionen den von vielen erwarteten Blick in die Zukunft der Weiterentwicklung der Module von vergabe.NRW.

So sei für das Vergabemanagementsystem unter anderem eine Erweiterung der Kriterienkataloge in Arbeit, mit der die Erstellung und Bearbeitung von Kriterienbäumen deutlich vereinfacht werde. Für den Vergabemarktplatz kündigte Eschenröder eine zentrale vergabe.NRW-ID im Sinne eines Unternehmenskontos als Realisierung über ein Single Sign On (SSO) – für den einheitlichen Zugriff auf alle Unternehmensdienste im Portalverbund vergabe.NRW – an.

Rechtsprechung zur E-Vergabe

Der Justiziar der cosinex, Nobert Dippel schloss den E-Vergabe-Tag 2021 mit einem Vortrag zu zwei jüngeren Entscheidungen rund um die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren: Bei der Frage „Hochladen“ vs. „Versenden“ von Benachrichtigungen über Vergabeplattformen hatte eine Entscheidung der VK Südbayern zunächst für erhebliche Verunsicherung gesorgt, bis die VK Saarland die Frage sachgerecht und praxistauglich beantwortet hatte – das cosinex Blog berichtete. Dippel erläuterte die Entscheidungsaspekte und den Kernbegriff der „Hol-Obliegenheit“, den die VK Südbayern in den Vordergrund stellte.

Rechtliche Fallstricke bei der Verwendung alter Formulare thematisierte Dippel im zweiten Fall: Hier habe das OLG Naumburg für begrüßenswerte Klarheit gesorgt, indem es feststellte, dass auch bei der Verwendung „alter“ Formulare mit Unterschriftsfeld die Textform nach § 126b BGB genügt. Auch dieser Sachverhalt wurde bereits im cosinex Blog behandelt.

Titelbild: cosinex GmbH