Elektronische Formulare

Im Bereich des Öffentlichen Auftragswesens spielen Formulare im Rahmen der sog. Vergabehandbücher als Arbeitshilfe heute häufig noch eine bedeutende Rolle. Dabei stellt sich die Frage, ob dies – jedenfalls beim Einsatz von E-Vergabe- bzw. Vergabemanagementsystemen – immer uneingeschränkt sachgerecht erscheint. Mit dem nachfolgenden Beitrag möchten wir einen Überblick
über das Thema „Formulare“ im Kontext E-Government generell und am Beispiel der E-Vergabe(-akte) im Besonderen geben und der Frage nachgehen, welche Bedeutung Formularen beim Einsatz elektronischer Systeme heute und zukünftig zukommt.

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Bedeutung von Formularen

Tatsächlich waren Formulare in der „vordigitalen Zeit“ ein mehr als bewährtes (standardisiertes) Hilfsmittel, um eine einheitliche und strukturierte Erfassung von Daten sicherzustellen. Sie dienten bei der händischen Erfassung dem Ausfüllenden, keine Angaben zu übersehen, die Daten in geeigneter Weise für eine spätere Auswertung strukturiert zu erfassen und gaben oftmals auch (Ausfüll-)Hinweise, in welchen Formaten oder mit welchem Zeichenumfang die Angabe bestimmter Informationen vorgesehen war. Dies nicht nur, wenn es den Gang zum Amt betraf, sondern weit darüber hinaus, wie etwa bei den bekannten Überweisungsträgern der Banken und Sparkassen.

Schleichender Anachronismus

Mit Einführung der vollelektronischen Kommunikation insbesondere im Bereich E-Government begann ein schleichender Anachronismus: Gewöhnt an die Formulare wurde von fast allen (IT-basierten) Fachverfahren, also Software-Anwendungen, verlangt, dass diese die in den Nutzeroberflächen der Lösungen erfassten Daten auch „in Formulare“ ausgaben. In einigen Fällen wurde sogar die Formularvorlage eins zu eins als Datenerfassungsmaske in die Nutzeroberfläche der Software integriert (z.B. die gelben Überweisungsträger der Banken). Aus einer reinen Arbeitshilfe für die Dateneingabe (bzw. Erfassung) wurde so eine „Formatvorlage“ für die Datenausgabe.

Aus technischer Sicht stellt dies eine unnötige Reduzierung dar, die in vielen Fällen dazu führt, dass die bestehenden Möglichkeiten moderner IT-Anwendungen nicht genutzt werden: So bietet ein einfaches Word- oder PDF-, aber auch Web-Formular naturgemäß deutlich weniger Möglichkeiten, „dynamisch“ auf die Eingaben der Nutzer zu reagieren. Warum sollten etwa Angaben zu Losen in Formularen abgefragt werden, wenn bereits zu Beginn einer Ausschreibung auf eine losweise Vergabe verzichtet wurde!?

Moderne Verfahren und Anwendungen sind intelligenter

Formulare gaben und geben ihren Anwendern unverändert eine (vermeintliche) Sicherheit, da es sich um ein gewohntes „Eingabeformat“ aus der Zeit vor Verwendung von IT-Verfahren handelt. Dabei sind moderne Fachverfahren und Anwendungen in den meisten Fällen heute bereits deutlich „intelligenter“, sodass ihre Unterstützung und entsprechende Software-Assistenten weit über die Möglichkeiten von Formularen (oder Formularvorlagen) hinausgehen und die Beschränkung auf diese oftmals auf eine Einschränkung der Möglichkeiten hinausläuft.

Dass dies auch für das Öffentliche Auftragswesen gilt, lässt sich an folgenden Fragen gut veranschaulichen: Was, wenn die eingesetzten elektronischen Lösungen deutlich mehr Daten und/oder diese in deutlich komplexeren Strukturen erfassen, als die Formulare, mit denen die „Datenausgabe“ erfolgen soll? Wie sollte man mit einer strukturiert erfassten elektronischen Bieterkommunikation umgehen, wenn keines der gängigen Vergabehandbücher ein „Formular“ hierfür vorsieht? Wie soll eine Vorlage für „Entscheider“ vor einer Genehmigung (nennen wir z.B. Executive Summary) und einer Vergabeentscheidung ausgegeben werden, wenn keines der gängigen Vergabehandbücher ein „Formular“ bzw. eine Vorlage hierfür anbietet?

Die Antwort aus Sicht eines Lösungsanbieters ist ebenso unbefriedigend wie folgerichtig: Man ergänze die bestehenden Formularsätze um eigene „Formulare“ (d.h. Datenausgaben), damit das in der E-Vergabeakte erfasste „Mehr“ an Informationen auch bei einer ausgedruckten und nicht-elektronischen Akte zur Verfügung steht.

Dass dies auch im Bereich der E-Vergabe (und nicht nur im Hinblick auf elektronische Aktenführung und den zunehmenden Einsatz von Vergabemanagementsystemen sowie E-Vergabeakten) keine Lösung für die Zukunft ist, wird zunehmend auch von Herausgebern der „Formulare“ bzw. Vergabehandbücher erkannt.

Regelungen im VHB VOB Bund

Das Vergabe- und Vertragshandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes (kurz VHB VOB Bund) ist wohl einer der bewährtesten Formularsätze im Bereich der Beschaffungen  nach Maßgabe der VOB und im Übrigen einer der von cosinex empfohlenen Formularsätze im Baubereich. Beispielgebend für die Frage der „strikten Formularanwendung“ ist die Regelung in den Allgemeinen Richtlinien für Vergabeverfahren („Formular“ 100 – Punkt 1.3):

1.3 Anwendung der VOB/A, der VOL/A und des VHB: … Alternativ zu den Formblättern des VHB können die Vergabestellen elektronisch generierte Formulare verwenden, welche lediglich die für das jeweilige Vergabeverfahren relevanten Angaben und Regelungen enthalten und insoweit optisch von den Formblättern des VHB abweichen. Inhaltliche Abweichungen und Änderungen sind nicht zulässig. Die Fachaufsicht führende Ebene hat sicherzustellen, dass die Regelungsinhalte des VHB eingehalten werden…

Verkürzt gesagt: Ja, die Inhalte elektronisch generierter Formulare müssen (mindestens) die im VHB VOB Bund genannten Angaben enthalten, aber nicht unbedingt auch so aussehen.

Eine Erweiterung um mehr Angaben zur Ausschreibung wird zudem nicht ausgeschlossen (weil im Einzelfall auch notwendig).

Neue EU-„Formulare“

Nach dieser für das Formularwesen im Bereich der Öffentlichen Auftragsvergabe schon besonders fortschrittlichen Auffassung geht die EU mit den neuen Bekanntmachungsformularen noch einen Schritt weiter: Die Übermittlung der Daten, mittels der von der EU bereitgestellten Formularvorlagen (inzwischen nur mehr ein Beispiel, was der Inhalt einer Bekanntmachung sein kann), ist nicht nur nicht vorgesehen, sondern wegen der erweiterten technischen „Formularrepräsentationen“ (sogenannte XSDs) teilweise gar nicht mehr möglich.

Alle Datenübermittlungen (z.B. der Bekanntmachungen) an die EU dürfen zukünftig nur noch über sog. OJS eSender übermittelt oder müssen parallel zum Verfahren händisch in der SIMAP-Plattform erfasst werden. Dabei sind die neuen technischen Vorgaben für EU-weite Bekanntmachungen so dynamisch, dass eine Erfassung im Rahmen eines einfachen Word- oder PDF-Formulars kaum mehr möglich wäre, selbst wenn das Amt für Veröffentlichungen diese noch als Fax oder E-Mail entgegen nehmen würde.

Falsche Sicherheit durch Formulare bzw. Vergabehandbücher

Die Beispiele zeigen, dass die Verwendung von „Formularen“ eine z.T. nicht sachgerechte Verkürzung relevanter Dokumentationserfordernisse bewirkt und dass dieses Problem von maßgeblichen Stellen auch bereits erkannt wurde.

Ein weiteres Problem betrifft die Aktualisierung aufgrund landesspezifischer Regelungen aber auch richterlicher Rechtsfortbildung: Während (wenige) Formularsätze wie das VHB VOB Bund, aber auch landesspezifische Hilfestellungen wie das VHB VOL NRW laufend überarbeitet werden und sicher vorbildliche Ausnahmen darstellen, fristen einzelne landesspezifische Vergabevordrucke von zum Teil privaten Verlagen ein Schattendasein. Gerade der Aufwand für die Aktualisierung vergabestellenspezifischer Formulare wird angesichts der Dynamik vergaberechtlicher Entwicklungen häufig unterschätzt.

Viele Vorlagen bieten ausfüllbare Formulare im Hinblick auf die Mindesterfassung. Nicht wenige Vergabestellen erkennen im Zuge der Verwendung solcher Vorgaben im Einzelfall – und dann meist zu spät -, dass dem konkreten Einzelfall an entscheidender (weil für die Vergabekammer bedeutender) Stelle nicht ausreichend Rechnung getragen wurde.

Ohne Zweifel gibt es auch im Bereich des Öffentlichen Auftragswesens Bereiche, in denen (elektronische) Formulare unverändert Sinn machen, wie etwa bei den Eigenerklärungen zu den Tariftreue- und Vergabegesetzen der Länder oder den Einheitlichen Europäischen Eigenerklärungen.

Formulare im Vergabemanagementsystem (VMS)

Das cosinex Vergabemanagementsystem (VMS) unterstützt Vergabestellen bei den internen Prozessen rund um die Durchführung von Vergaben bis hin zu einer vollelektronischen Vergabeakte. Neben einer Reihe von im Produktstandard hinterlegten Formularsätzen bzw. Vergabehandbüchern bieten wir im Rahmen des VMS auch die Möglichkeit, Informationen nach den gewohnten Vorgaben in Formulare zu exportieren sowie eigene/individuelle Formulare oder Formularsätze einzubinden.