Im September 2020 teilte die AOK mit, dass es im Antibiotika-Bereich eine neue Ausschreibungsform geben sollte. Unter dem Namen „AOK Z1“ wurden dabei fünf antibiotische Wirkstoffe ausgeschrieben, deren Umsatzvolumen in allen elf AOKen bei rund 63 Mio. EUR pro Jahr liegen soll.

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Das Novum: Nicht allein der Preis sollte bei der Ausschreibung ausschlaggebend sein, sondern auch Lieferkette sowie Umwelt- und Arbeitsschutz berücksichtigt werden. Mehrere Hersteller stellten aufgrund dieser Kriterien Nachprüfungsanträge bei der Vergabekammer des Bundes und erhielten Recht. In der Folge konnte die AOK nur für zwei der fünf Antibiotikawirkstoffe bzw. Lose den Zuschlag erteilen.

VK Bund: Lieferkette kein zulässiges Zuschlagskriterium

In der Kritik stand vorrangig das von der AOK aufgeführte Zuschlagskriterium der „geschlossenen Lieferkette in der EU, in GPA Unterzeichnerstaaten bzw. in der Freihandelszone der EU“, welches die VK Bund nicht als zulässiges Zuschlagskriterium im Sinne des § 127 Abs. 4 GWB sah.

Zwar könne ein Auftraggeber u.a. auch ökologische und soziale Aspekte bei den Zuschlagskriterien berücksichtigen, weshalb die von der AOK mit ihrem Lieferkettenkriterium intendierte Berücksichtigung der Versorgungssicherheit sowie die Einhaltung gewisser Umwelt- und Sozialstandards dem Grunde nach nicht zu beanstanden sei. Allerdings genüge die gewählte Umsetzung dieser Intention nicht den vergaberechtlich gebotenen Anforderungen an die Ausgestaltung von Zuschlagskriterien.

Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK-Baden-Württemberg und Federführer der AOK-Gemeinschaft für die bundesweiten Generikaverträge, kündigte an:

„Wir werden in den noch laufenden Verfahren in die nächste Instanz gehen. Es ist nicht akzeptabel, dass Hersteller Ausschreibungskriterien angreifen, die die Pharma-Lobby und Politiker mehrerer Parteien seit langer Zeit selbst gefordert hatten.“

Reform der Vergabepraxis gefordert

Aus diesem Grund fordert die AOK eine Reform der Vergabepraxis. Doch auch noch weitere Punkte sind aus Sicht der AOK reformbedürftig, allen voran Kriterien der Versorgungssicherheit und des Umweltschutzes sowie eine erweiterte Lagerhaltung bei Herstellern und Großhandel. „Versorgungssicherheit und Umweltschutz dürfen nicht auf der Strecke bleiben, die Politik darf sich nicht von Lippenbekenntnissen steuern lassen, mit denen die Industrie ihre rein finanziellen Interessen kaschiert“, fordert Bauernfeind.

Hohe Anforderungen bei der Produktion von Antibiotika

Laut AOK müssen antibiotische Wirkstoffe unter strengeren Auflagen für den Umweltschutz hergestellt werden. Denn wenn sich multiresistente Keime über Industrieabwässer ausbreiten, ist die Wirksamkeit von Antibiotika gefährdet. Bereits seit Jahren wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Umweltschutzorganisationen auf die Gefahr, die von multiresistenten Keimen ausgeht, hingewiesen.

Die AOK wolle mit der um die qualitativen Kriterien Versorgungssicherheit und Umweltschutz erweiterten Vergabepraxis neue Standards setzen. Aufgabe jedes Unternehmens, das Arzneimittel vertreibt, sei es, wirkstoffbezogene Grenzwerte im Produktionsabwasser globaler Anlagen verlässlich einzuhalten – einschließlich der Übernahme aller dabei entstehenden Zusatzaufwände. Für versorgungsrelevante Wirkstoffe wie Antibiotika gelte dies besonders.

Lieferkettengesetz: „Schritt in die richtige Richtung“

Die AOK-Gemeinschaft möchte mit den erweiterten Bestrebungen in Richtung Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit in der Arzneimittelversorgung aber kein Einzelkämpfer bleiben. Die AOK würde es daher begrüßen, wenn weitere Krankenkassen diesem Beispiel folgten und sieht Reformbedarf auch über das Vergaberecht hinaus.

Laut Bauernfeind sei der Referentenentwurf zum geplanten Lieferkettengesetz ein erster Schritt in die richtige Richtung und der politische Wille erkennbar, Unternehmen in Sachen Arbeits- und Umweltschutz in die Pflicht zu nehmen. Bauernfeind. weiter:

„Wir sind gespannt, ob dieses Gesetz ausreichen wird, tatsächlich wirksame Kontrollmechanismen über die gesamte Lieferkette hinweg zu installieren. Unsere Gestaltungsspielräume werden wir zum Ausgleich eventuell verbleibender Schwächen der geplanten Regelung auch weiterhin nutzen.“

In eigener Sache: E-Vergabe in der Gesundheitswirtschaft

Neben zahlreichen Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft setzt heute bereits der überwiegende Teil der gesetzlichen Krankenversicherungen sowie die AOK-Gemeinschaft bei der E-Vergabe auf die Technologien der cosinex, insbesondere unter Einsatz des Deutschen Vergabeportals (DTVP).