Bei Verfahrensarten ohne Bekanntmachung bzw. vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb wählt die Vergabestelle die Unternehmen, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen, im Vorfeld aus. Bei elektronischer Abwicklung von Vergabeverfahren wird für den Zugriff auf die Vergabeunterlagen im Rahmen dieser Verfahren regelmäßig eine Registrierung verlangt. Immer wieder kommt die Frage auf, ob dies im Sinne des Verordnungsgebers und im engeren Sinne rechtskonform ist.

I. Zum Grundsatz im Oberschwellenbereich

Eine Pflicht zur Registrierung widerspricht zunächst scheinbar § 9 Abs. 3 VgV. Demnach kann „der öffentliche Auftraggeber von jedem Unternehmen die Angabe einer eindeutigen Unternehmensbezeichnung sowie einer elektronischen Adresse verlangen“ (Registrierung). Satz zwei dieser Bestimmung schränkt diesen Grundsatz aber wieder dahingehend ein, dass „für den Zugang zur Auftragsbekanntmachung und zu den Vergabeunterlagen (…) der öffentliche Auftraggeber keine Registrierung verlangen darf; eine freiwillige Registrierung ist zulässig.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Flankiert wird diese Regelung von § 41 Abs. 1 VgV, wonach „der öffentliche Auftraggeber (…) in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung eine elektronische Adresse angibt, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können.

Nach der Verordnungsbegründung sind Vergabeunterlagen im Rahmen der auf elektronische Mittel gestützten öffentlichen Auftragsvergabe ausschließlich nur dann direkt abrufbar, wenn weder interessierte Bürger, noch interessierte Unternehmen sich auf einer elektronischen Vergabeplattform mit ihrem Namen, mit einer Benutzerkennung oder mit ihrer E-Mail-Adresse registrieren müssen, bevor sie sich über bekanntgemachte öffentliche Auftragsvergaben informieren oder Vergabeunterlagen abrufen können. Beides muss interessierten Bürgern oder interessierten Unternehmen ohne vorherige Registrierung möglich sein (BR Dr-Drs. 87/16, S. 169).

Damit hat der Verordnungsgeber den Rahmen klar vorgegeben: In der Bekanntmachung muss eine elektronische Adresse bzw. ein Link angegeben sein, unter dem man die Ausschreibungsunterlagen ohne weitere wesentliche Zwischenschritte herunterladen kann. Etwaige technische Hürden, die einen direkten Zugriff verhindern, sind damit grundsätzlich unzulässig, so zum Beispiel:

  • Registrierungspflichten,
  • Freischaltungserfordernisse oder auch
  • die Entrichtung einer Gebühr.

Kurzum: Auf den ersten Blick scheint eine Registrierungspflicht unzulässig, soweit sie den Zugang zu den Vergabeunterlagen betrifft.

Fraglich ist, ob diese Regelung auch die Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung bzw. Teilnahmewettbewerbe zwingend umfasst.

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II. Die Ausnahme

Die vorstehende zitierte Regelung ist nicht zwingend auf Vergabeverfahren ohne Bekanntmachung anwendbar. Hierfür spricht, dass der Zugang zur Auftragsbekanntmachung und zu den Vergabeunterlagen geregelt wird. Hinzu kommt, dass die Verwendung des Wortes „und“ lediglich den Fall regele, wenn im Rahmen einer Bekanntmachung auf die Vergabeunterlagen zugegriffen werden soll.

Zudem sieht § 41 Abs. 1 VgV vor, dass eine elektronische Adresse in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung angegeben werden muss, nicht aber auch in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes, etwa bei Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb (§ 17 Abs. 5 VgV).

Fraglich ist, ob diese Auslegung vor dem Hintergrund der klassischen EU-Vergaberichtlinie haltbar ist.

III. Vorgaben der EU-Richtlinie (2014/24/EU)

In solchen nicht eindeutigen Fällen sind die entsprechenden Vorgaben der Richtlinie, hier der EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU1 als Auslegungshilfe hinzuzuziehen.

So enthält Art. 53 Abs. 1 den Grundsatz, wonach öffentliche Auftraggeber (…) ab dem Tag der Veröffentlichung einer Bekanntmachung (…) oder dem Tag der Aufforderung zur Interessensbestätigung unentgeltlich einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang anhand elektronischer Mittel zu diesen Auftragsunterlagen anbieten müssen. Der Text der Bekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung muss die Internet-Adresse, über die diese Auftragsunterlagen abrufbar sind, enthalten.

Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU enthält eine Sonderregelung, wonach „bei nicht offenen Verfahren, beim wettbewerblichen Dialog, bei Innovationspartnerschaften und bei Verhandlungsverfahren (…) die öffentlichen Auftraggeber die ausgewählten Bewerber gleichzeitig schriftlich auffordern, ihre Angebote einzureichen oder — im Falle des wettbewerblichen Dialogs — am Dialog teilzunehmen.“ Nach Abs. 2 dieser Bestimmung müssen diese Aufforderungen einen Verweis auf die elektronische Adresse, über die die Auftragsunterlagen direkt elektronisch zur Verfügung gestellt wurden, enthalten. Sollte dies aus besonderen Gründen nicht möglich sein, sind die Auftragsunterlagen beizufügen.

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IV. Folgerungen

Insoweit kann aus der Richtlinie abgeleitet werden, dass zumindest in der Phase der Angebotsaufforderung eine Registrierungspflicht nicht zulässig ist.

Ein systematisches Argument spricht allerdings dagegen, dass von dieser Bestimmung der Fall von Vergabeverfahren ohne Bekanntmachung erfasst wird. Der Inhalt der Angebotsaufforderung gem. Art. 54 der Richtlinie 2014/24/EU wird in Anhang IX der Richtlinie näher bestimmt. Zu den demnach zwingenden Angaben gehört gem. Anhang IX, dort Ziffer 1 lit. a) ein „Hinweis auf den veröffentlichten Aufruf zum Wettbewerb“. Bei den in Rede stehenden Verfahren handelt sich aber gerade nicht um Verfahren mit einem vorherigen, veröffentlichten Aufruf zum Wettbewerb, was dagegen spricht, diese Bestimmungen auf derartige Verfahren anzuwenden.

Außerdem wäre in den Fällen der rechtmäßig unterbliebenen Bekanntmachung die Forderung nach einer Registrierung der eigentlichen Angebotsaufforderung vorgelagert. Nach erfolgter Registrierung könnte die Angebotsaufforderung, die dann entsprechend den geschilderten Richtlinienbestimmungen die Internetadresse bzw. den Link zu den Angebotsunterlagen enthält, versendet werden. Hiernach würde eine entsprechende Registrierung nicht gegen Art 54 Abs. 2 der RL 2014/24/EU verstoßen.

Dass dies zulässig ist, wird u.a. auch durch folgende Überlegung gestützt: Nach der Grundintention der Richtlinien sollen die Vergabeunterlagen uneingeschränkt und direkt abrufbar sein, damit sich weder interessierte Bürger noch interessierte Unternehmen auf einer elektronischen Vergabeplattform mit ihrem Namen, mit einer Benutzerkennung oder mit ihrer E-Mail-Adresse registrieren müssen, bevor sie sich über bekanntgemachte öffentliche Auftragsvergaben informieren oder Vergabeunterlagen abrufen können. Dabei muss eine etwaige Verlinkung so ausgestaltet sein, dass das Unternehmen auf den ersten Blick erkennen kann, ob der ausgeschriebene Auftrag in sein Leistungsportfolio fällt und es als geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht kommt oder ob es sich eine Befassung mit den Vergabeunterlagen von vornherein ersparen kann.2 Schutzzweck ist damit ein freier Zugang zur Information, aber auch der möglichst gering zu haltende Aufwand für potentielle Bieter, die sich durch eine Vielzahl von Bekanntmachungen und Vergabeunterlagen klicken und diese auswerten müssen.

Fehlt eine Bekanntmachung (bspw. im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb), kommen die vorstehenden Überlegungen ohnehin nicht zum Tragen: Der potentielle Bieter wird direkt von der Vergabestelle angesprochen und um Registrierung gebeten. Andere interessierte Bürger oder Unternehmen haben keinen Informationsanspruch. Die so angesprochenen Unternehmen müssen zudem nicht vor vergeblicher Recherchetätigkeit geschützt werden, da sie vom öffentlichen Auftraggeber ja bereits als (geeignetes) Unternehmen ausgewählt wurden und fokussiert auf ein bestimmtes Vergabeverfahren angesprochen werden.

Für einen eingeschränkten Zugriff auf die Vergabeunterlagen spricht letztlich auch, dass mit ihm die Gefahr gesenkt wird, von Unternehmen Angebote zu erhalten, die gar nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert wurden. Zwar ist es möglich und kommt insbesondere im Unterschwellenbereich auch immer noch vor, dass Vergabeunterlagen an dritte Unternehmen weitergegeben werden, die hieraufhin ein Angebot einreichen; ein freier Zugriff auf die Unterlagen würde diese Gefahr aber sicher deutlich erhöhen.

V. Regelung für die Unterschwellenvergaben

Mit Blick auf die nahezu wortgleichen Regelungen in §§ 7 sowie 29 UVgO lassen sich die vorstehenden Erwägungen auch auf den in der Praxis deutlich häufigeren Fall der beschränkten Ausschreibung sowie der Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb übertragen.

VI. Hinweise für die Praxis

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die behandelte Frage der Registrierung in Vergabeverfahren ohne Bekanntmachung – soweit ersichtlich – bislang noch nicht gerichtlich entscheiden wurde. Auch der bisherige Austausch etwa im Deutschen Vergabenetzwerk verläuft kontrovers.

Neben rein praktischen Erwägungen, gerade bei beschränkten Verfahren den Bieter identifizieren zu können, zeigen die vorhergehenden Ausführungen aber, dass darüber hinaus auch rechtlich viel für die Möglichkeit einer Registrierungspflicht vor einem Zugriff auf die Vergabeunterlagen spricht.

Bildquelle: Stockwerk-Fotodesign – fotolia.de

Fussnoten

  1. Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG
  2. Vgl. hierzu VK Nordbayern Beschluss vom 15.02.2018, Az.: RMF-SG21-3194-3-1 sowie Dippel: „Eignungskriterien & Co. – Verlinkung auf Vergabeunterlagen zulässig?“, in cosinex Blog. URL: https://blog.cosinex.de/eignungskriterien-co-verlinkung-auf-vergabeunterlagen-zulaessig/. (Abgerufen am: 26.03.2019, 14:50:07 Uhr)