Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.

Nachdem in der vergangenen Woche Hermann Summa den Stellenwert des Angebotsschreibens im Kontext der E-Vergabe grundsätzlich untersucht hat, nimmt Norbert Dippel in diesem Beitrag einen Beschluss der Vergabekammer Nordbayern konkret in den Blick, der die Thematik unmittelbar berührt.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Bei der Umstellung der traditionell papier- und formularlastigen Vergabeverfahren auf die elektronische Vergabe blieben die bewährten Prozesse und die darauf basierenden Vergabehandbücher nahezu unverändert erhalten. Beispielsweise müssen auch heute noch die Angebote im 4-Augen-Prinzip geöffnet werden, obwohl bei elektronischen Vergaben das Manipulationsrisiko im Angebotsöffnungstermin nahezu ausgeschlossen werden kann: Die Angebote können nicht mehr ausgetauscht oder verändert werden.

Auch bei den Formularen stellt sich immer wieder die Frage, ob diese noch „passend“ sind. Zu den wohl gebräuchlichsten Formularen gehört das als Formblatt L 213 bezeichnete Angebotsschreiben. Bei schriftlichen Formularen ist dort das Unterschriftsfeld verortet. Ebenso sind dort die dem Angebot zugehörigen Dokumente aufgelistet.

Fraglich ist, welche Rolle diesem Formular bei elektronischen Vergabeverfahren zukommt. Nicht selten vergessen beispielsweise Bieter, ihren Namen in dem Formular einzutragen.

Die VK Nordbayern hat sich Anfang dieses Jahres (Beschluss vom 16.02.2022, RMF – SG 21 – 3194 – 7 – 1) mit der Frage beschäftigt, welche Rechtsfolge es hat, wenn in diesem Formular der Name des Bieters nicht eingetragen wurde.

Nachfolgend erläutern wir den Beschluss und setzen uns kritisch mit ihm auseinander.

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I. Der Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb einen Lieferauftrag EU-weit aus.

Die Vergabeunterlagen enthielten eine Klausel, wonach galt: „Ein nicht form- oder fristgerecht eingereichtes Angebot wird ausgeschlossen„. Mit dem Angebot war das ausgefüllte Formblatt L 213 „Angebotsschreiben“ einzureichen. In dessen Ziffer 7 wurde gefordert: „Bei elektronischer Angebotsübermittlung in Textform muss der Bieter zu erkennen sein (…)“.

Das Formblatt L 213, Angebotsschreiben, enthielt hierfür auf Seite 1 oben links ein Adressfeld. Das Formular endete auf Seite 3 mit dem Passus: „Ist bei einem elektronisch übermittelten Angebot in Textform der Bieter nicht erkennbar, (…) wird das Angebot ausgeschlossen.

Sowohl die spätere Antragstellerin als auch die spätere Beigeladene gaben ein Angebot über die Vergabeplattform ab.

Das Angebotsschreiben der späteren Beigeladenen enthielt im Adressfeld des Formulars „Angebotsschreiben“ keine Angaben. Name und Anschrift wurden auch nicht an anderer Stelle des Formulars genannt. In einem anderen Textfeld wurden unter anderem eine Telefon- und Faxnummer, eine E-Mail-Adresse, eine USt.-ID-Nr. sowie eine HR-Nr. angegeben.

In einem anderen Formblatt war das dortige Textfeld für „Name, Anschrift und Ust.-ID-Nr. des Unternehmens“ ausgefüllt, wobei der Name des Bieters mit der Nennung einer Betriebsstätte und einer Firmenbezeichnung sowie der dazugehörigen Adresse angeben wurde.

Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens stellt sich die Frage, ob das Angebot der Beigeladenen aufgrund des unzureichend ausgefüllten Angebotsschreibens überhaupt hätte gewertet werden dürfen.

II. Der Beschluss

Aus Sicht der Vergabekammer ist der zulässige Nachprüfungsantrag auch begründet, weil das Angebot der Beigeladenen aufgrund des nicht vollständig ausgefüllten Formulars vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden muss.

Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen sei § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV. Demnach seien solche Angebote von der Wertung auszuschließen, die nicht den Erfordernissen des § 53 VgV genügen. Dies beträfe insbesondere Angebote, die nicht form- und fristgerecht eingegangen seien.

Darauf aufbauend prüft die Vergabekammer anhand der Verweisungskette der Formblätter, welche Formvorschriften hier zu beachten seien:

  • Gemäß Ziffer 7 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Formblatt L 211 EU) sei die elektronische Angebotsabgabe ohne Signatur (Textform) zugelassen. „Bei elektronischer Angebotsübermittlung in Textform muss der Bieter zu erkennen sein„.
  • Gemäß Ziffer 3.2 der Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Leistungen (Formblatt L 212 EU) seien für das Angebot die von der Vergabestelle vorgegebenen Vordrucke zu verwenden. „Ein nicht form- oder fristgerecht eingereichtes Angebot wird ausgeschlossen„.
  • Gemäß Ziffer C) des Formblatt L 211 EU sei mit dem Angebot unter anderem das Angebotsschreiben (Formblatt L 213) ausgefüllt einzureichen.

Bei dem Formblatt L 213 handele es sich um das sogenannte Angebotsschreiben. Unstreitig sei dessen Adressfeld nicht ausgefüllt worden. Ebenso sei die Beigeladene durch die oben zitierte Formulierung mit hinreichender Deutlichkeit darauf hingewiesen worden, dass das Angebot ausgeschlossen werde, sollte im Angebotsschreiben der Bieter nicht eindeutig erkennbar sein.

Für den Rechtsverkehr sei entscheidend, dass die Identität des Vertragspartners erkennbar sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Maßgeblich sei hierbei der objektive Empfängerhorizont aus Sicht eines mit den Umständen des Einzelfalls vertrauten Dritten in der Lage der Vergabestelle.

Mangels ausgefülltem Adressfeld im Formblatts L 213 sei die Beigeladene nicht als Bieter erkennbar. Dabei führte die Vergabekammer aus:

„Denn mangels Angabe von Namen und Anschrift – weder im hierfür vorgesehenen Textfeld noch an anderer Stelle im Angebotsschreiben – hat die BGI (Anmerkung: Beigeladene) nicht deutlich und zweifelsfrei zu erkennen gegeben, ob das Angebot überhaupt von ihr stammt und von ihr rechtsverbindlich erklärt wird. Zwar hat die BGI in einem anderen Textfeld des Formblatts L 213 Telefon- und Faxnummer, Umsatzsteuer – und Handelsregisternummer sowie eine E-Mail-Adresse genannt. Dies allein genügt jedoch nicht, um die BGI bereits zweifelsfrei als Bieterin zu identifizieren.“

Nach Ansicht der Vergabekammer sei der Auftraggeber nicht dazu verpflichtet – auch bei geringem Aufwand – den Bieter erst anhand bestimmter Angaben selbst zu recherchieren; insbesondere, wenn – wie hier – der Auftraggeber ausdrücklich die Erkennbarkeit des Bieters im Formblatt L 213 verlangt habe.

Ebenso wenig genüge es, dass die Beigeladene noch weitere Unterlagen als Anlage mit ihrem Angebot eingereicht habe. Zum einen verlange die Vergabestelle die Erkennbarkeit des Bieters bereits im Angebotsschreiben und zum anderen sei die Beigeladene auch aus den eingereichten Unterlagen nicht eindeutig als Bieter erkennbar, da dort teilweise auch andere Firmen (z.B. Firma N aus xxxxx) benannt worden seien.

Ausdrücklich verwies die Vergabekammer darauf, dass es nicht ausreichend sei, dass sich die Beigeladene auf dem Portal registriert habe. Der Bieter müsse aus dem Angebotsschreiben erkennbar sein und nicht erst aufgrund sonstiger Umstände. Überdies sei eine Registrierung im Vergabeportal allein nicht aussagekräftig genug. So könne beispielsweise nur ein Mitglied einer Bietergemeinschaft auf der Plattform registriert sein und nicht die Bietergemeinschaft als Bieter.

Abschließend stellte die Vergabekammer noch einmal fest:

„Das Angebotsschreiben stellt die Grundlage des Angebots dar, denn es enthält eine bindende Erklärung des Bieters über die Angebotsbestandteile. Ist – wie hier – im Angebotsschreiben der Bieter nicht erkennbar, ist für den Auftraggeber der Vertragspartner nicht ersichtlich und es fehlt ein Kernbestandteil des Angebots.“

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

III. Hinweise für die Praxis

Auf den ersten Blick wirkt der Beschluss ausgesprochen stringent: Die Vergabestelle fordert die Angabe des Bieters in einem dafür vorgesehen Adressfeld. Fehlt die Eintragung, erfolgt der angedrohte Ausschluss.

Fernab jeglicher „Urteilsschelte“ kann man zumindest bei der Begründung auch anderer Meinung sein. Ausgangspunkt der Gegenargumentation ist der Grundgedanke, dass das grundlegende Formerfordernis die Textform nach § 126b BGB ist.

Demnach gilt: „Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden.

Damit stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die „Person des Erklärenden“ aus dem betreffenden Angebot hervorgeht. Ist dies eindeutig der Fall, handelt es sich zunächst um ein formgültiges Angebot. Damit verbleibt der Umstand, dass die Person des Erklärenden nicht in dem dafür vorgesehenen Feld eingetragen wurde. Ob dies allein als Ausschlussgrund taugt, kann man durchaus kritisch hinterfragen.

Fallen die Person des Erklärenden und die des Bieters auseinander (beispielsweise bei Bietergemeinschaften), dürfte es – entgegen der Ansicht der Vergabekammer ‑ durchaus zumutbar sein, den Bieter anhand der Angaben im Angebot zu recherchieren. Idealtypisch ist das vergaberechtlich ausgeprägte Vergabeverfahren ein Mittel, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Ein wirtschaftliches Angebot auszuschließen, weil der Name des Bieters nicht an der dafür vorgesehen Stelle steht, erscheint demgegenüber als sachwidrige Förmelei, wenn den Anforderungen aus § 126 b BGB (Textform) genügt wurde und der Bieter ermittelbar ist.

Ohnehin kann man sich fragen, ob das Formblatt des Angebotsschreibens nicht bei elektronischen Vergaben obsolet geworden ist. Siehe hierzu auch die fundierte Darstellung von Herrn Summa. Im Sinne der Entbürokratisierung und Vereinfachung des Vergaberechts wäre es eine lohnenswerte Aufgabe, die Formerfordernisse auf das rechtlich erforderliche Maß zurückzufahren.

Titelbild: adobe.stock – Stockwerk-Fotodesign