Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.

Vereinfacht formuliert greift Vergaberecht dort, wo der öffentliche Auftraggeber seinen Bedarf an Sachmitteln oder Dienstleistungen auf dem Markt deckt; oder noch simplifizierender: Der Staat kauft ein, was er zum Funktionieren benötigt. Die dabei zur Anwendung kommenden Regelungen bilden das Vergaberecht. Wesentliche Prinzipien des Vergaberechts sind das Transparenzgebot sowie die Gleichbehandlung. Dabei muss auch das Anbieten von Gütern durch die öffentliche Hand an transparenten und die Gleichbehandlung wahrenden Vergabekriterien gemessen werden.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

Alle Beiträge von Norbert Dippel »

Am Beispiel einer gemeindlichen Bauplatzvergabe hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in einem jüngst ergangenen Beschluss (vom 19.07.2022, 1 S 1121 / 22) hierzu wesentliche Grundsätze erläutert, die sprachlich und inhaltlich eine große Nähe zum eigentlichen Vergaberecht aufweisen.

I. Der Sachverhalt

Eine Gemeinde möchte sechs Bauplätze veräußern. Wer das jeweilige Grundstück erwerben darf, soll anhand einer „Vergaberichtlinie“ ermittelt werden. Kriterium ist der Bestpreis, der sich aus dem Kaufpreis (Gewichtung 30 %) und der Konzeptqualität (Gewichtung 70 %) ermittelt.

Um „festzustellen, ob Bewerber als Einzelpersonen oder als bewerbende Gemeinschaft zum Vergabeverfahren zugelassen“ werden können, wurden in den Richtlinien zum einen sog. „Eignungskriterien“ aufgestellt. Die Bewerber sollten dazu u. a. die „Befähigung zur Berufsausübung“ nachweisen und eine „Unternehmensbeschreibung“ sowie die „Umsatzzahlen der letzten drei Jahre“ vorlegen.

Zum Zweiten wurden sog. „Bewertungskriterien“ zur „Sicherstellung der Qualität der einzelnen Angebote/Konzepte und des positiven Nutzens für das Quartier“ festgelegt und gewichtet („Qualität des Bewerbers“ x2, „Soziale Qualität“ x2, „Ökologische/Energetische Qualität“ x2, „Architektonische Qualität“ x4, „Parkierungskonzept“ x1) sowie bestimmt, dass die Bewerber für jedes einzelne Kriterium 0 bis 3 Punkte erhalten könnten.

Letztlich kam es zwischen einem privaten Bewerber und der Gemeinde zum Streit darüber, ob die sog. Eignungskriterien und das Bewertungskriterium „Qualität der Bewerber“ jeweils private Bauplatzbewerber gegenüber gewerblichen Bewerbern ohne sachlichen Grund benachteiligen.

Keinen Beitrag mehr verpassen? Jetzt für unseren Newsletter anmelden und Themen auswählen

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

II. Die Entscheidung

Der VGH geht – wie schon das Verwaltungsgericht vorher – von einem Rechtsverstoß aus.

1. Rechtliche Grundlagen

Zur Begründung stellt der VGH zunächst die Rechtslage grundsätzlich dar: Der in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde sog. Vergabeverfahrensanspruch vermittele den Bewerbern einen Anspruch auf eine ermessens-, insbesondere materiell gleichheitsrechtsfehlerfreie Vergabeentscheidung. Jeder Mitbewerber müsse aufgrund seines Anspruchs auf Gleichbehandlung eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für die spezifische Vergabe wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden. Das setze voraus, dass der die Vergabeentscheidung treffende Hoheitsträger etwaige ermessenslenkende Richtlinien im Hinblick auf die Vergabekriterien klar und eindeutig formuliert. Jeder verständige Bewerber müsse sie gleichermaßen verstehen, seine Chancen abschätzen und insbesondere erkennen können, welche Unterlagen er einreichen und welche Angaben er machen muss, um im Vergabeverfahren zugelassen und inhaltlich berücksichtigt zu werden.

Ohne eine in diesem Sinne transparente, d.h. hinreichend bestimmte Ausgestaltung und Formulierung der Vergaberichtlinien, sei es in der Regel nicht möglich, die gebotene Chancengleichheit zu gewährleisten und es fehle daher an einer verfahrensmäßigen Grundlage, auf der eine gleichheitskonforme Auswahl getroffen werden könne.

2. Auf den Fall bezogen

Dem vorstehend geschilderten gleichheitsrechtlichen Transparenzgebot werden die verfahrensgegenständlichen Vergaberichtlinien der Gemeinde aus Sicht des VGH nicht gerecht. Das betreffe bereits die in den Richtlinien mit den sog. Eignungskriterien geregelte erste, die Zulassung zum Verfahren betreffende Stufe. Die Richtlinie würde einerseits suggerieren, dass sich auch Private (Bauherrengemeinschaften) eigenständig um die Bauplätze bewerben könnten. Sie benennen aber andererseits Eignungskriterien – Zulassungsvoraussetzungen – die ersichtlich nur auf gewerbliche Bewerber zugeschnitten seien. Dabei werde aber nicht klargestellt, ob diese Kriterien ggf. auch – und dann mit welchen Modifikationen – für Private gelten würden.

Ebenso wenig sei den Richtlinien mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, wie ein privater Bewerber, falls er zugelassen werde, seine „Qualität“ im Sinne der sog. Bewertungskriterien darlegen kann. Erst recht würden die Richtlinien keinen Hinweis darauf enthalten, dass die Gemeinde wohl – und entgegen der abschließenden „Hinweise“ in den Richtlinien – Bewerbungen von Privaten nur zulassen und ggf. bewerten will, falls diese zusammen mit einem gewerblichen Bauträger eingereicht würden.

Da insoweit die Vergaberichtlinie intransparent war, konnte die Auswahlentscheidung nicht auf sie gestützt werden.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

III. Praktische Hinweise

Die beiden amtlichen Leitsätze weisen eine große Nähe zu vergaberechtlichen Prinzipien auf:

  1. Der bei gemeindlichen Bauplatzvergaben grundsätzlich bestehende, in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde sog. Vergabeverfahrensanspruch vermittelt Bewerbern einen Anspruch auf eine ermessens-, insbesondere gleichheitsrechtsfehlerfreie Vergabeentscheidung.
  2. Jeder Mitbewerber muss aufgrund seines Anspruchs auf Gleichbehandlung eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für die spezifische Vergabe wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden. Das setzt voraus, dass der die Vergabeentscheidung treffende Hoheitsträger etwaige ermessenslenkende Richtlinien im Hinblick auf die Vergabekriterien so klar und eindeutig formuliert, dass jeder verständige Bewerber sie gleichermaßen verstehen, seine Chancen abschätzen und insbesondere erkennen kann, welche Unterlagen er einreichen und welche Angaben er machen muss, um im Vergabeverfahren zugelassen und inhaltlich berücksichtigt zu werden (sog. Transparenzgebot).

Einmal mehr zeigt sich daran, dass die vergaberechtlichen Prinzipien auch in anderen Bereichen zur Anwendung kommen, weil sie auf den identischen rechtsstaatlichen Grundlagen fußen, die fundamental für staatliches Handeln – egal ob in privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Form – sind. Die oftmals als lästige Förmelei erscheinenden Vergaberegeln sind somit nicht Ausdruck von Bürokratismus, sondern Ausdruck rechtsstaatlichen Handelns.

So zeigen sich die Grundideen des Vergaberechts auch in weiteren gesetzlichen Regelungen. Beispielsweise sehen die Landesjagdgesetze für die Verpachtung von Jagdrevieren bestimmte Verfahrensarten vor (öffentlicher Versteigerung, öffentlicher Ausbietung oder freihändiger Vergabe)1, die sprachlich eng an bekannten Terminologien angelehnt sind.

Titelbild: BCFC – shutterstock.com

Fussnoten

  1. Art. 12 Satz 4 Bayerisches Jagdgesetz