Die Bundesregierung plant noch für dieses Jahr eine Überarbeitung des Vergaberechts mindestens mit Blick auf den Infrastrukturbereich. Eine entsprechende Arbeitsgruppe unter Federführung des Wirtschaftsministeriums sei bereits eingesetzt. Dies erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr, Daniela Kluckert, im Rahmen einer Bundesratsdebatte.

Nordrhein-Westfalen fordert Beschleunigung

Anlass der Debatte war ein Entschließungsantrag des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Titel Dringend erforderliche Baumaßnahmen im Verkehrsinfrastrukturbereich beschleunigen – Potentiale bei Vergabe-, Planungs- und Genehmigungsverfahren nutzen (PDF), der am 8. April eingebracht wurde. Er fordert die Bundesregierung (seine Annahme im Bundesrat vorausgesetzt) im Wesentlichen zu vier Punkten auf:

  1. Auf Planfeststellungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfungen soll verzichtet werden, wenn es sich bei einem Infrastrukturprojekt um einen Ersatzneubau handelt. Beispielhaft sei hier der Wiederaufbau von Straßen und Brücken nach der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021.
  2. Ein Wegfall der Umweltverträglichkeitsprüfung wird ebenfalls für den rein temporären Bau von Umleitungs- und Baustraßen gefordert. Stattdessen müsse die Plangenehmigung ausreichen, um Anwohner schneller zu entlasten.
  3. Weiterer Kernpunkt ist die gemeinsame Vergabe von Planungs- und Bauleistungen (funktionale Ausschreibung). Sie würde beispielsweise den Ersatzneubau einer maroden Brücke deutlich beschleunigen, wenn Planung und Ausführung eines Projekts aus einer Hand erfolgen.
  4. Ferner tritt Nordrhein-Westfalen dafür ein, dass künftig mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben werden können, um die Bauzeit zu verkürzen.

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Wie sinnvoll ist die funktionale Ausschreibung?

Der Entschließungsantrag wurde von der nordrhein-westfälischen Verkehrsministerin Ina Brandes vorgestellt. Als weiterer Redner im Rahmen der Debatte äußerte Dr. Bernd Buchholz, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein, grundsätzliche Zustimmung zu dem Antrag, verwies jedoch auch auf den Koalitionsvertrag der Bundesregierung, in dem das Vorhaben bereits angelegt sei.

Hinsichtlich der funktionalen Vergabe (mit seinen Worten die Parallelisierung in den Ausschreibungsverfahren für Planungs- und Bauausführungsthemen) führte Buchholz aus, dass dadurch die Planungskapazitäten am Markt eher verknappt würden: „Denn der Mangel, den wir zurzeit haben, betrifft vor allem Planerinnen und Planer, sodass derjenige, der jetzt eine Ausschreibung für die Ausführungsleistungen machen würde, das immer gleich mit in die Ausschreibung schreiben müsste.“

Vergaberecht sinnvoll, aber rechtskonform überarbeiten

Einblicke in die Aktivitäten der Bundesregierung lieferte anschließend Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr. Nicht nur verwies sie auf eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt zur Verkürzung von Planungs- und Genehmigungszeiten („Hier informieren sich die Ressorts, aber sie diskutieren auch über Wege, wie wir schneller werden, wie wir besser werden.“). Auch eine Arbeitsgruppe unter der Federführung des Wirtschaftsministeriums sei bereits eingesetzt, „die das Vergaberecht sinnvoll, aber natürlich auch rechtskonform überarbeiten soll“, so Kluckert.

Entsprechende Anpassungen sollten noch in diesem Jahr erfolgen. Angestrebt werde dabei die Einbeziehung der Bundesländer: „Deshalb wollen wir bei diesem Thema auch einen Pakt mit den Ländern schließen. Wichtig ist, dass beim gesamten Thema Planungsbeschleunigung, das uns alle betrifft, alle Beteiligten an einem Strang ziehen.“

Als Zielsetzung formulierte Kluckert ein „klar formuliertes Vergaberecht“:

Richtig ist, dass wir flexibel sein müssen, dass wir ein klar formuliertes Vergaberecht brauchen. Es kann nicht nur darum gehen, dass etwas nach dem Preis entschieden wird. Es wird am Ende nämlich häufig teurer und dauert länger.

Der Staat ist nicht Tesla

Bezogen auf den Entschließungsantrag äußerte die Staatssekretärin insbesondere Kritik an der Forderung, marode Brücken mit dem Erlass einer vorläufigen Anordnung zu bauen. Denn der, der das baut, gehe auch ein hohes finanzielles Risiko ein: „Es beeindruckt uns alle, wie schnell das Tesla-Werk gebaut werden konnte. Es ist mit diesen vorläufigen Anordnungen gebaut“, so Kluckert. „Elon Musk war dazu bereit, dieses Risiko einzugehen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob der Staat das ebenfalls sein sollte.“

Da der Bundesratsausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit seine Beratungen zu dem Entschließungsantrag noch nicht abgeschlossen hatte, wurde über diesen in der Sitzung am 8. April nicht abgestimmt. Der federführende Verkehrsausschuss hatte bereits Änderungsvorschläge beschlossen, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Wirtschaftsausschuss hatten die Zustimmung ohne Änderungen empfohlen. Die nächste Sitzung des Bundesrats findet am 20. Mai statt, eine Tagesordnung liegt gegenwärtig noch nicht vor.

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