Die Abgabe von zwei Hauptangeboten ist grundsätzlich zulässig, wenn sich diese in technischer Hinsicht und nicht nur im Preis unterscheiden! Dieser Grundsatz ist als ständige Rechtsprechung auch vom BGH bestätigt worden. Ein Beschluss der Vergabekammer Sachsen befasst sich nun mit der Frage, ob zwei Hauptangebote als Nebenangebote aufgefasst werden dürfen, wenn sich an keiner Stelle des Angebots ein entsprechender Hinweis des Bieters ergibt.

Ein Gastbeitrag von Frau Petra Bachmann, Geschäftsführerin der Auftragsberatungsstelle Brandenburg, gibt einen Überblick über den Beschluss der VK-Sachsen (Beschluss vom 24.01.2018 (Az.:1/SVK/034-17)) und leitet Hinweise für die Praxis ab.

Zum Sachverhalt

Der Auftraggeber veröffentlichte mit Bekanntmachung vom 29.08.2017 die beabsichtigte Vergabe eines Lieferauftrags „Lose Möblierung des gerontopsychiatrischen Zentrums“, wobei der Preis als einziges Zuschlagskriterium zu Grunde gelegt wurde. Alternativangebote waren nicht zugelassen.

Hinsichtlich der Eignungsanforderungen wurde in der Bekanntmachung auf die Auftragsunterlagen und in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots auf die Vergabebekanntmachung verwiesen. In der Vergabebekanntmachung selbst hatte der Auftraggeber versäumt, die Eignungskriterien und -nachweise zu benennen, anhand derer die Eignung der Bieter bemessen werden kann. Im Ergebnis waren damit keine Eignungskriterien oder -Nachweise verlautbart und wirksam gefordert. Schlusstermin für die Einreichung der Angebote war der 09.10.2017.

Von insgesamt 23 freigeschalteten Unternehmen haben vier Bieter ein Angebot eingereicht. Die Antragstellerin beteiligte sich an dem Verfahren mit zwei eigenständigen Angeboten unter Hinweis darauf, dass die angebotenen Produkte die Bedingungen der Ausschreibung erfüllten und uneingeschränkt für den Betrieb des Krankenhauses geeignet seien.

Die beiden Hauptangebote wurden zunächst mit der Begründung ausgeschlossen, dass die angebotenen Artikel der beiden Hauptangebote nicht den Eignungskriterien entsprechen, diese als Nebenangebote eingestuft wurden und auszuschließen sind.

Ergänzend begründete der Auftraggeber später einen Ausschluss der Angebote damit, dass es in den beiden Angeboten zu große Abweichungen von dem vorgegebenen Leistungsverzeichnis gäbe und diese auszuschließen seien, da Nebenangebote nicht zugelassen wurden. Gegen diese Entscheidung wendete sich die Antragstellerin an die Vergabekammer mit dem Antrag, festzustellen, dass sie durch den Wertungsvorgang des Auftraggebers in ihren Rechten verletzt ist.

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Zum Beschluss

Zu Recht! Durch den Ausschluss der Angebote ist die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt worden. Nach Auffassung der Vergabekammer war zum einen die Leistungsbeschreibung nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben, sodass alle Unternehmen die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen und damit vergleichbare Angebote einreichen konnten.

Überdies hat der Auftraggeber die Eignungskriterien und -nachweise nicht bekanntgegeben, anhand derer die fachliche Eignung der Unternehmen bemessen werden konnte. Letzteres stellt nach Ansicht der Vergabekammer einen schwerwiegenden Mangel des Vergabeverfahrens dar. Der gesetzlich geregelten Pflicht zur Eignungsprüfung ist damit faktisch die Grundlage entzogen, was zur Unmöglichkeit der Angebotswertung auf Eignungsebene und damit zur Unmöglichkeit der Einhaltung der Vergabegrundsätze führt.

Auch ist es nach Auffassung der Vergabekammer unzulässig, ein Haupt- in ein Nebenangebot umzudeuten, wenn sich an keiner Stelle des Angebots ein entsprechender Hinweis des Bieters ergibt. Vorliegend hatte der Auftraggeber die Angebote der Antragstellerin mit der Begründung ausgeschlossen, dass diese nach seiner Auffassung zu große Abweichungen von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses aufweisen und es sich dabei um unzulässige Nebenangebote handelte.

Nach Auffassung der Vergabekammer ist ein Angebot, das die technischen Vorgaben des Leistungsverzeichnisses überschreitet jedoch zwingend auszuschließen, ohne dass es einer konstruierten Umdeutung in ein nicht zugelassenes Nebenangebot bedarf. Soweit sich aus den Vergabeunterlagen jedoch der Hinweis ergibt, dass die genannten Leistungswerte Richtwerte sind und es für den Auftraggeber entscheidend auf die Gebrauchstauglichkeit und Eignung der Ausstattungsgegenstände ankommt, wird eine Leistungsbeschreibung uneindeutig und missverständlich. Wie weit die Abweichungen von dem genannten Richtwert gehen dürfen, bleibt für die Bieter damit unklar.

Hinweise für die Praxis

Die Abgabe zweier Hauptangebote durch einen Bieter ist grundsätzlich zulässig! Maßgeblich ist jedoch, dass diese sich in technischer Hinsicht und nicht nur im Preis unterscheiden. Die Dokumentation der Angebotswertung und der Zuschlagsentscheidung ist Kernaufgabe des Auftraggebers.

Soweit anhand der Vergabebedingungen verschiedene Möglichkeiten zur Angebotsabgabe bestehen, muss die Dokumentation des Auftraggebers erkennen lassen, dass sich dieser mit den Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen Methoden und eventuellen Auswirkungen auseinandergesetzt hat. Nur für diesen Fall ist eine abschließende Beurteilung des Auftraggebers möglich, ob ggf. Ausschlussgründe vorliegen, wenn die angebotenen Produkte nicht der ausgeschriebenen Leistungsbeschreibung entsprechen. Unzulässig ist es hingegen, eine Umdeutung in ein Nebenangebot vorzunehmen, wenn sich aus den Angebotsunterlagen nicht klar ergibt, dass der Bieter ein Nebenangebot abgeben wollte.

Seminare der Auftragsberatungsstelle Brandenburg

Die Auftragsberatungsstelle Brandenburg e.V. bietet verschiedene Seminare für Vergabestellen wie für Unternehmen im Kontext des öffentlichen Auftragswesens an.

Rund um die E-Vergabe und den Vergabemarktplatz des Landes Brandenburg werden eine Intensivschulungen für Auftraggeber sowie eine Intensivschulung für Unternehmen bzw. Bieter angeboten. Einen Überblick über die Forbildungen finden Sie unter diesem Link.

die Autorin

Petra Bachmann ist seit Januar 2018 Geschäftsführerin der Auftragsberatungsstelle Brandenburg e.V., einer Gemeinschaftseinrichtung der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern des Landes Brandenburg zur Förderung der mittelständischen Wirtschaft.

Frau Bachmann ist Rechtsanwältin und seit 25 Jahren an der Schnittstelle zur öffentlichen Hand tätig, dies sowohl rechtsberatend als auch operativ. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Betreuung nationaler und europaweiter Vergabeverfahren – sowohl auf Bieter-, als auch auf Auftraggeberseite.

Bildquelle: BCFC – shutterstock.com