Triumph der Heuchelei“: Mit scharfen Worten kritisiert Christoph Schlautmann in einem Kommentar für das Handelsblatt den vermeintlichen Mangel an Nachhaltigkeitskriterien in Ausschreibungen der öffentlichen Hand.

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Der Vorwurf wöge schwer, träfe er zu: Während die Privatwirtschaft Milliarden in Nachhaltigkeit und Klimaschutz investiere, setzten viele Amtsstuben bei der Beschaffung „bestenfalls auf Greenwashing“.

Fraglicher Vergleich mit der Privatwirtschaft

Als Quelle für dieses Urteil dient die Vergabestatistik beziehungsweise der im Oktober vom BMWK veröffentlichte Bericht für das erste Halbjahr 2021 – den Zeitraum, für den derzeit Daten der Statistik vorliegen. Ihm zufolge listen die Bundesländer bei 19 Prozent der Ausschreibungen auch Nachhaltigkeitskriterien auf, während kommunale Ausschreibungen bei jedem zehnten öffentlichen Auftrag umweltbezogene, soziale oder innovative Aspekte berücksichtigten. „Besonders beschämend“ zeige sich mit einem Anteil von lediglich neun Prozent der Bund.

Ob diese zwei Jahre alten Zahlen gut oder schlecht sind, ob sie von „Engagement“ zeugen oder „beschämen“, darüber ließen sich valide Aussagen nur auf Grundlage von Zeitreihen oder im Vergleich mit anderen Körperschaften treffen, die dem europäischen Vergaberecht unterliegen. Fraglich erscheint aber der von Christoph Schlautmann getroffene Vergleich mit der Privatwirtschaft.

Nachhaltige Beschaffung scheitert oft noch am Markt

Vielmehr ist es folgerichtig, dass privat in Nachhaltigkeit investiert wird, ehe der Staat seine Nachfrage nach entsprechenden Gütern und Dienstleistungen erhöht; schließlich muss ein Markt vorliegen, der diese auch anbietet. Niemandem wäre geholfen, würde die öffentliche Hand auf Nachhaltigkeit setzen, wenn nicht sichergestellt ist, dass dem bereits ausreichende Angebote gegenüberstehen. Vielmehr drohten weniger Angebote auf öffentliche Vergaben mit der Folge höherer Preise.

Wie häufig nachhaltige Beschaffung gerade im Baubereich derzeit noch am Markt und am mangelnden Angebot scheitert, zeigt etwa das Big Buyers Collaboration Network for Strategic Procurement der Europäischen Kommission mit Blick auf emissionsfreie Baumaschinen, kohlenstoffarme Betonmischungen, elektrische Nutzfahrzeuge und entsprechende Ladeinfrastruktur: sämtlich Güter, die kaum oder noch gar nicht verfügbar sind.

Lieferkettengesetz gilt auch für öffentliche Hand

In die Irre führt der Handelsblatt-Kommentar überdies, wenn er auf das Lieferkettengesetz Bezug nimmt, und unterstellt, dessen menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten würden lediglich für die „heimische Großindustrie“ gelten. Tatsächlich ist die öffentliche Hand ebenso an das Gesetz gebunden, weil sie Leistungen am Markt einkauft.

Nachhaltigkeit vorantreiben, nicht überdrehen

Auch der altbekannte Vorwurf „Hauptsache billig“ geht fehl. Die öffentliche Hand unterliegt in ihrer Beschaffung dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Folglich spielt der Preis zwar immer eine Rolle, wurde aber ausweislich der Vergabestatistik bei der Mehrheit der Vergabeverfahren ins Verhältnis zu definierten Qualitätskriterien gesetzt. Dabei mag es nicht in jedem Fall um Nachhaltigkeit gehen, wohl aber darum, so transparent wie möglich zu beschaffen, was den Bedarf so gut wie möglich deckt. Insofern ist gute öffentliche Beschaffung schon aus sich heraus nachhaltig.

Es mag sein, dass Teile der freien Wirtschaft „mit Kopfschütteln reagieren“, wie Christoph Schlautmann schreibt. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Marktteilnehmer in vielen Bereichen zu schätzen wissen, dass die öffentliche Hand das Thema Nachhaltigkeit mit Maß und Mitte vorantreibt, dabei aber nicht überdreht. Wie es damit weitergeht, dürfte das Vergabetransformationspaket des Bundes zeigen, das in diesem Jahr vorangetrieben werden soll.

Titelbild: BsWei – iStock