Die Vergabekammer Berlin hatte sich unlängst mit der Frage beschäftigt, wie damit umzugehen ist, wenn die elektronische Angebotsabgabe sowohl über einen sog. Bieterclient, als auch über einen händischen Upload ermöglicht wird. Problematisch war, dass für die gegebenen Wege unterschiedliche Beschränkungen der zulässigen Dateigröße des Angebots zur Anwendung kamen (VK Berlin, v. 04.11.2020, VK – B 2 – 20 / 20).

I. Der Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb einen Bauauftrag EU-weit aus. Das Verfahren sollte rein digital über die Vergabeplattform des Landes Berlin abgewickelt werden. Die elektronische Angebotsabgabe war sowohl über einen Bieterclient, als auch über einen händischen Upload möglich.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Eine Bieterin, die spätere Antragstellerin, hat ausweislich des von der Vergabeplattform erstellten Firmenlogs (einer Log-Datei) mehrfach auf die Vergabeplattform zugegriffen und dabei z.B. Vergabeunterlagen eingesehen und Unterlagen heruntergeladen.

Unter im Einzelnen streitigen Umständen gab die Antragstellerin innerhalb der Angebotsfrist kein Angebot über die Vergabeplattform ab.

Rund zwei Stunden nach Ende der Angebotsfrist teilte die Antragstellerin per E-Mail u. a. mit, dass es ihr nicht gelungen sei, ihr Angebot hochzuladen, obwohl sie rechtzeitig die Dateien bereits ab 9 Uhr im händischen Upload hochgeladen hätte. Es seien allerdings die Meldungen erschienen, dass die Übermittlung der Dateien aufgrund zu großer Datenmengen nicht funktioniert habe, sowie dass die maximale Datenmenge für den Upload überschritten worden sei. Im Anschluss sei der Upload durch das System abgebrochen. Auch bei den erneuten Versuchen habe ihr Angebot nicht komplett hochgeladen werden können. Schließlich sei die Angebotsfrist bzw. der Zeitpunkt der Submission überschritten gewesen und ein erneuter Versuch habe nicht gestartet werden können.

Die Vergabestelle teilte der Antragstellerin mit, dass es leider nicht möglich sei, ihr Angebot nachträglich zuzulassen, zumal andere Unternehmen ein entsprechendes Angebot hätten abgeben können.

Letztlich stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag, um eine Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Angebotsabgabe zu erreichen.

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II. Die Entscheidung

Verfahrenstechnisch hatte sich das Nachprüfungsverfahren durch die Rücknahme des Nachprüfungsantrags erledigt. Somit war das Verfahren einzustellen und über die Kosten nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 182 Abs. 3 S. 5 GWB).

Nach Ansicht der Vergabekammer entspreche es billigem Ermessen, vorliegend den Antragsgegnerinnen die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen. Denn diese wären bei summarischer Prüfung voraussichtlich unterlegen.

Die Vergabekammer unterstellte, dass sich die Nichtberücksichtigung des Angebots der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren als rechtswidrig erwiesen hätte.  Insbesondere wäre die Kammer infolge der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass die Antragstellerin versucht habe, ein Angebot auf die Vergabeplattform hochzuladen. Die Kammer habe hingegen nicht feststellen können, dass die Angebotsabgabe allein aus Gründen, die in die Sphäre der Antragstellerin fallen, gescheitert sei. Dabei könne der Antragstellerin schon nicht entgegengehalten werden, dass die gescheiterte Abgabe allein deshalb in ihre Sphäre falle, weil sie den Vorgang der Angebotsabgabe erst zu spät begonnen habe (unter Verweis auf VK Bund, Beschluss v. 29. Mai 2020 – VK 2-19/20, IBRRS 2020, 2070). Darauf könne es nämlich jedenfalls dann nicht ankommen, wenn Auftraggeber – wie hier die Antragsgegnerinnen vermittels der von ihnen genutzten Vergabeplattform, deren Handeln sie sich zurechnen lassen müssten – diskriminierende und intransparente Beschränkungen zur Angebotsabgabe vorsähen (§ 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 VgV), deren Kausalität für das Scheitern der Angebotsabgabe zumindest nicht ausgeschlossen werden könne.

1. Zur Diskriminierung

Die Besonderheit des Falles lag darin, dass eine Angebotsabgabe über den sogenannten Bieterclient scheinbar – wie auch die Vergabestelle vorgetragen hatte – ohne Dateigrößenbegrenzung möglich war. Daneben sei aber auch ein „manuelles Hochladen“ des Angebots möglich gewesen, wie es hier von der Antragstellerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme versucht worden sei. Bei manuellem Hochladen dürfe die Datei jedoch höchstens 250 MB groß sein. Dies diskriminiere Unternehmen, die den Bieterclient nicht zum Upload nutzten.

2. Zur Intransparenz

Die Antragsgegnerinnen hätten diese für die Angebotsabgabe notwendige Information den Unternehmen nicht transparent zur Verfügung gestellt (§ 11 Abs. 3 Nr. 2 VgV). Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass sich die entsprechende Information über einen Link hätten auffinden lassen. Bereits der Vortrag der Antragsgegnerinnen im Verfahren, dass sie selbst sich dieser Einschränkung nicht bewusst gewesen seien, belege die Intransparenz. Außerdem habe die Kammer diese Information auch nur nach aufwendiger Recherche gefunden. Ein ohne Weiteres auffindbarer Verweis auf diese wesentliche Seite oder das Hilfeportal der Vergabeplattform an sich fand sich weder in der Bekanntmachung, noch in der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder an anderer, prominenter Stelle der Vergabeunterlagen.

3. Zur Organisation

Zusätzlich behauptete die Vergabekammer, dass es allein die Auftraggeber in der Hand haben müssten, die für das Verfahren wesentlichen Parameter, wie z. B. Größenbeschränkungen, festzulegen.

Dabei erörterte die Vergabekammer ausdrücklich die Möglichkeit, dass ein Bieter hätte Kontakt mit der Plattform-Administration aufnehmen können. Der Betreiber hatte in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er die Größenbeschränkung auf 250 MB beim manuellen Upload anlassbezogen deaktivieren könne. Nach Ansicht der Vergabekammer liege damit der Umstand einer erfolgreichen Angebotsabgabe – jedenfalls in dieser Konstellation – offenkundig allein in den Händen des Vergabeplattformbetreibers. Eine willkürfreie Vergabe durch die Vergabestelle sei nicht mehr sichergestellt.

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III. Hinweise für die Praxis

Die vorstehend besprochene Entscheidung der Vergabekammer Berlin zeigt einmal mehr, dass die Lösungen für die Durchführung elektronischer Vergabeverfahren hohen rechtlichen Ansprüchen genügen müssen. Gerade bei unterschiedlichen zulässigen Wegen der Angebotsabgabe ist auf strikte Gleichbehandlung zu achten. Klar ist, dass die Software hierfür einen nichtdiskriminierenden Rahmen bieten muss.

Weitaus schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob tatsächlich der Auftraggeber bzw. die Vergabestelle die Größenbeschränkung bestimmen können muss. Hier kann man durchaus anderer Meinung sein, da die Zulassung von Dateigrößen für die Angebotsabgabe nur in Abhängigkeit zu dem IT-Gesamtsystem gestattet werden kann. Wechselwirkungen mit Drittsystemen (beispielsweise Sicherheitsinfrastruktur) oder auch der Firewall und nicht zuletzt auch Dokumentenmanagementsystemen können von der Vergabestelle bzw. dem Auftraggeber nicht unbedingt eingeschätzt werden. Deshalb spricht viel dafür, dass die Vorgabe für die Größenbeschränkung mit der Vergabestelle abgestimmt sein muss. Gegebenenfalls ist diese auch anzupassen, wenn sie sich in der Praxis als zu klein erweist. Dass die Größenbeschränkung aber nur von einem das gesamte System überblickenden Administrator verändert werden kann, erscheint demgegenüber sachgerecht, wenn nicht sogar notwendig.

Sollte mit Blick auf ein einzelnes Verfahren die Dateigröße für die Angebotsabgabe den üblichen Rahmen sprengen (beispielsweise Beifügung von hochauflösenden Luftbildaufnahmen als Referenz), bliebe immer noch die Möglichkeit, ausnahmsweise auch eine Angebotsabgabe in anderer Form (beispielsweise schriftlich unter Beifügung einer CD) zuzulassen (vgl. auch „Keine Pflicht zur E-Vergabe bei großen Datenmengen“).

IV. Exkurs zur cosinex Technologie

Bei Vergabeplattformen auf Basis der cosinex-Technologie (Vergabemarktplatz) wird schon im Bereich der Angebotserstellung auf die Größenbeschränkung hingewiesen. Zudem unterstützen auch grafische Elemente: Stellt der Bieter im Vorfeld der Angebotsabgabe die Angebotsdateien zusammen, wird in einer Fußzeile angezeigt, wie viele Bytes der entsprechenden Größenbeschränkung schon in Summe „belegt“ wurden. Bei Überschreitung färbt sich der Wert rot. Wird trotz Überschreitens der Größenbeschränkung die Angebotsabgabe gestartet, erfolgt ein entsprechender Warnhinweis, sodass derartige Informationen für den Bieter transparent und eindeutig sind.

Zudem ist ein einheitlicher Weg für die Angebotsabgabe vorgesehen, um Probleme, wie oben dargestellt, auszuschließen.

Bildquelle: BCFC – shutterstock.com