Die strategische Bedeutung zirkulärer Beschaffung

In Kooperation mit der SDG media GmbH veröffentlichen wir regelmäßig ausgewählte Beiträge aus der auf nachhaltige Beschaffung spezialisierten Zeitschrift „Kleine Kniffe“ für unsere Leser. In Rahmen dieser Reihe beleuchtet Stephan Schaller, Senior Consultant am Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP), den Aspekt zirkulärer Beschaffung.

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Von einfachen Gütern wie Büromaterial bis hin zu komplexen Dienstleistungen wie Energiesystemen – alles muss Beschaffungsprozesse durchlaufen. Aber bitte nicht als Einbahnstraße! Um wertvolle Ressourcen in der langfristigen Nutzung zu halten und Abfälle zu minimieren braucht es alternative Beschaffungsstrategien, die den benötigten Wandel hin zu einer Kreislaufwirtschaft („Circular Economy“) fördern.

Vorteile zirkulärer Beschaffungsprozesse

Vereinfacht ausgedrückt ist die zirkuläre Beschaffung der Prozess, durch den Produkte und Dienstleistungen in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft eingekauft werden. Das bedeutet z. B., dass insbesondere begrenzte fossile Ressourcen möglichst dauerhaft in der aktiven Nutzung gehalten werden, dass toxische Inhaltsstoffe, die ein Weiternutzen und Recyceln erschweren, weitestgehend vermieden werden und dass Abfälle möglichst gar nicht erst entstehen.

Da zirkuläre Ansätze der vorherrschenden kurzen Verbrauchsorientierung eine langfristig ausgerichtete Nutzenorientierung entgegensetzen, bergen sie neben den ökologischen Vorteilen in der Regel auch handfeste ökonomische und soziale Vorteile für Beschaffer. Wichtig ist dabei, jenseits des reinen Beschaffungspreises auch die Betriebs-, Wartungs- und ggf. Entsorgungskosten zu berücksichtigen, da insbesondere hier zirkulär ausgerichtete Lösungen ihre Vorteile ausspielen. So ist der große Multifunktionsdrucker aus kaum einer Büroumgebung mehr wegzudenken. Dabei werden diese Geräte nur noch selten gekauft und in der Regel gemietet – entweder klassisch per Monatsmiete oder als „Pay-per-Use“ pro verarbeitetem Blatt. In diesen Modellen braucht sich der Beschaffer nicht mehr um Funktion, Komplexität und Wartung zu kümmern, sondern zahlt nur noch für den tatsächlichen Nutzen. Dies ist nicht nur kostenseitig besser planbar, sondern reduziert auch Ausgaberisiken für Reparatur oder Ersatzbeschaffung. Der Hersteller wiederum bleibt Eigentümer seiner Ressourcen, profitiert selbst von der Langlebigkeit, Wartungsfreundlichkeit und Aktualisierbarkeit seiner Produkte und geht eine langfristige Beziehung mit seinen Kunden ein, die ihm relevantes Nutzerwissen für die weitere Produktoptimierung liefert.

Andere Branchen sind darauf angewiesen, immer die neueste Technologie nutzen zu können. Aus diesem Grund schließen Krankenhäuser z. B. Nutzungsverträge für Magnetresonanztomographen ab und erhalten so immer automatisch die neuesten funktionalen Upgrades für bestmögliche Diagnosen. Die Laufzeit der Geräte hat sich dadurch bereits von früher üblichen 8 bis 10 Jahren auf 15 Jahre und mehr verlängert. Auch hier bekommen die Krankenhäuser Funktionsgarantien und entlasten sich von hohen Instandhaltungs- und Erneuerungsrisiken.

Zirkuläre Beschaffung als gesellschaftliche Priorität

Die Europäische Kommission hat die vielfältigen Vorteile solcher Ansätze und Geschäftsmodelle erkannt und ist bestrebt mit ihrem Aktionsplan Kreislaufwirtschaft (Circular Economy Action Plan) eine grundlegende Transformation anzustoßen. Aufgrund der Bedeutung der öffentlichen Hand als wichtiger Einkäufer wurde dabei das Thema „Green Public Procurement (GPP)“ weit oben auf die politische Agenda gesetzt. Die umweltfreundliche öffentliche Beschaffung ist nicht nur eng mit den Zielen des Green Deal der Europäischen Union verbunden, sondern auch mit dem unverzichtbaren Prinzip eines gerechten und integrativen Übergangs zur Kreislaufwirtschaft.

Zwei Hauptfunktionen der zirkulären Beschaffung sind dabei: (1) die Förderung von zirkulären Lieferketten durch Steigerung der Nachfrage nach zirkulären Produkten, Materialien und Dienstleistungen und (2) die Förderung neuer Geschäftsmodelle, die auf innovativen und ressourceneffizienten Lösungen basieren.

Für öffentliche Organisationen – seien es Regierungsbehörden, Städte oder Versorgungsunternehmen – ist es wichtig, die grüne öffentliche Beschaffung (GPP) durch Schulungen, Kommunikation und Engagement für Kreislaufwirtschaft als strategischen Faktor zu entdecken – für die eigene Organisation und als Motor des gesellschaftlichen Wandels. Mit seiner umfangreichen Nachfrage kann der öffentliche Sektor sowohl mit gutem Beispiel vorangehen, als auch wesentliche positive Veränderungen herbeiführen: das soziale Wohlergehen der Bürger verbessern, einen Mehrwert schaffen und regenerative Kreislaufwirtschaftsmodelle unterstützen.

„Circular Procurement“ konkret umsetzen

Bei der Gestaltung und Umsetzung erfolgreicher nachhaltiger und zirkulärer Beschaffungsstrategien sind klare Richtlinien die halbe Miete. Sie definieren den Umfang, identifizieren und verknüpfen bestehende Prozesse und erleichtern die Planung und Priorisierung von Verbesserungsmaßnahmen. Solche Maßnahmen können auf jeder der Umsetzungsebenen der Kreislaufbeschaffung stattfinden. Auf der Systemebene ist es beispielsweise wichtig, dass Organisationen nach Kooperationen und Partnerschaften suchen, denn Kreislaufwirtschaft kann nur gemeinsam erreicht werden. Auf der Prozess- und Versorgungsebene muss das Augenmerk auf das Design für die Demontage, die Verbesserung von Datenaustauschsystemen oder die Einführung von Rücknahmesystemen gerichtet werden. Auf Produktebene schließlich können Organisationen durch zirkuläre Beschaffung innovative und nachhaltige Materialien sowie zirkuläres Design fördern und unterstützen.

Lösungen auf allen Ebenen finden

Um die Chancen zirkulärer Beschaffung für sich zu nutzen, stehen Organisationen aller Arten und Größen – privat oder öffentlich, Konzerne oder KMU, profitorientiert und oder non-profit – vor verschiedenen Herausforderungen. Sie müssen Entscheidungen treffen und Lösungen auf allen Ebenen der Kreislaufbeschaffung finden: technisch, organisatorisch und finanziell (vgl. van Oppen/Croon/Bijl de Vroe 2018)

Auf der technischen Ebene, die die Reduzierung, Wiederverwendung und das Recycling von Materialien betrifft, müssen sich Organisationen in Co-Design-Prozesse mit Forschern, Start-ups, Unternehmen und der Zivilgesellschaft einbringen, um sicherzustellen, dass Produkte nicht nur langlebig, leicht zu warten und wiederverwendbar sind, sondern auch aus erneuerbaren und ungiftigen Ressourcen hergestellt werden.

Auf organisatorischer Ebene ist die Einbindung aller Partner in der Lieferkette, von der Produktion bis zum Ende der Lebensdauer des Produkts, der Schlüssel zur Gewährleistung der Kreislaufwirtschaft. Wichtige Fragen, die gestellt werden müssen, sind: Welche Möglichkeiten gibt es, um zirkulärer zu werden? Welche Produkte und Lieferanten sollten priorisiert werden, um eine zirkuläre Versorgung zu erreichen? Wie sollte der Vertrag strukturiert sein, um eine langfristige Beziehung zu den Lieferanten aufzubauen und eine gemeinsame Produktverantwortung sicherzustellen?

Auf der finanziellen Ebene schließlich sollten Organisationen zirkuläre Lösungen finanziell tragfähig machen und Maßnahmen wie die Schaffung finanzieller Anreize unterstützen, die Zirkularität sowohl auf der Seite der Lieferanten, als auch auf der Seite der Kunden/Verbraucher sicherstellen.

Die strategische Kraft der zirkulären Beschaffung ausschöpfen

Durch die Integration von Kreislaufkriterien und -prinzipien in die Beschaffung wird diese zu einem leistungsstarken Mechanismus, um Investitionen zu optimieren und darüber hinaus auch vielfältige weitere Ziele zu erreichen: Abhängigkeiten reduzieren und widerstandsfähiger werden, regulatorische Anforderungen erfüllen und positive soziale und ökologische Auswirkungen erhöhen. Dafür braucht es Know-how, um zirkuläre und nachhaltige Beschaffungsprozesse und Lieferketten auf allen Ebenen zu realisieren – bei neuen Formen der Kooperationen (Systemebene), der Entwicklung und Umsetzung von Strategien und neuen zirkulären Geschäftsmodellen (Prozessebene) und bei der Bewertung von Produkten und Produktportfolios (Produktebene).

Hilfestellung hierfür kommt zunehmend aus Anwendungsfeldern der Digitalisierung. Blockchain, künstliche Intelligenz oder das Internet der Dinge können die notwendige Transparenz gewährleisten, um z. B. den Überblick über Komponenten in der Nutzung zu behalten, Wartungs- und Rücknahmezyklen zu planen oder das Zusammenspiel zwischen verschiedenen Produktionseinheiten zu verbessern – alles zugunsten reibungsloser und effizienter zirkulärer Beschaffungsprozesse.

Wichtig bleibt auch hier: einfach mal ausprobieren, Experimente machen, lernen und Erfahrungen teilen!

Autor

Stephan Schaller

Senior Consultant am Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP)

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Kommunen und Behörden kaufen täglich Produkte und Dienstleistungen ein. Das Gesamtvolumen wird auf ca. 350 Mrd. EUR jährlich geschätzt. Mit diesem Volumen gibt es große Potenziale, ökologische und soziale Standards durchzusetzen. In Zusammenarbeit mit dem Magazin für nachhaltige Beschaffung „Kleine Kniffe“ (https://nachhaltige-beschaffung.com/) wird cosinex auf dem Blog den Aspekt des nachhaltigen Einkaufs in seinen vielfältigen Facetten beleuchten.

Bildquelle: BsWei – iStockphoto.com