Landesvergaberecht NRW

Mit vergaberechtlichen „Lesetipps“ außerhalb inzwischen etablierter Informationswege im Internet, in Datenbanken, Foren und Netzwerken tun wir uns schwer. Fast zu rasch vollziehen sich insb. landesrechtliche Änderungen, wirken richterliche Rechtsfortbildungen und werden Vergabehandbücher und Formulare rund um die Dokumentation oder Vorlagen für Eigenerklärungen aktualisiert; die anstehende Vergaberechtsreform tut ihr Übriges.

Wer allerdings insbesondere als kommunaler Beschaffer mit einem Landesvergabegesetz von der Komplexität des nordrhein-westfälischen Tariftreue- und Vergabegesetzes konfrontiert wird, wird rasch nach einem Überblick suchen. Spätestens mit dem TVgG NRW hat sich der Schreibtisch des Beschaffers in ein juristisches „Minenfeld“ verwandelt: Es sollen allgemeine politische Ziele in Einklang mit Haushaltsrecht gebracht werden. Daher geht es nicht mehr „nur“ um das Finden des wirtschaftlichsten Angebots, ein transparentes Verfahrens und eine (ohnehin nicht einfache) ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens, vielmehr wird der Beschaffungsvorgang durch z.T. konkurrierende Wertgrenzen, Tariftreue und Mindestlohn, Energieeffizienz, ILO-Normen, Gütezeichen und Frauenförderung immer komplizierter. Dazu einige Beispiele:

  • Wann und wie müssen Verpflichtungserklärungen zu Tariftreue, Mindestlohn, ILO-Normen und Frauenförderung nach TVgG NRW und RVO TVgG NRW ausgefüllt bzw. gefordert werden? Was muss dokumentiert werden und wie lange sind entsprechende Dokumentationen aufzubewahren?
  • Wie wirken Wertgrenzenregelungen aus der GemHVO bzw. den kommunalen Vergabegrundsätzen und Ausnahmen aus VOB/A und VOL/A sowie der Transparenzpflichten aus dem TVgG NRW zusammen?
  • Wann reicht eine Selbstverpflichtung zur Beachtung allgemeinverbindlicher Tarifverträge aus? Wann kommt der Mindestlohn zur Anwendung?
  • Fair-Trade / Umweltschutz – Welche Gütezeichen / Zertifizierungen dürfen gefordert werden?
  • Wie soll praktisch mit den Energieeffizienzregelungen umgegangen werden?
  • Was muss ich bei Nachunternehmern und durch Leiharbeitsfirmen gestellte Arbeitnehmer beachten?

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So verwundert es nicht, dass neben dem TVgG NRW und der Rechtsverordnung im Internet unter vergabe.NRW auch ein offizieller Leitfaden sowie eine Liste mit Antworten auf „Frequently Asked Questions“ durch die Landesregierung bereitgestellt wird. Zwar sind diese „offiziellen“ Arbeitshilfe der Landesregierung für die Rechtsanwender eine erste Hilfe. Letztlich fehlt aber bei diesen Angeboten eine Systematisierung und Einbettung in die Zusammenhänge des allgemeinen Vergaberechts.

Diese Lücke schließt ein neues Praxishandbuch von Prof. Dr. Zeiss. Das Werk hilft Beschaffern dabei, den Überblick über die verschiedenen rechtlichen Vorgaben zu behalten. Zunächst wird ein allgemeinen Überblick über das Vergaberecht und den Ablauf von Beschaffungsverfahren gegeben, wobei jeweils auch die praktischen Auswirkungen des TVgG NRW im Beschaffungsverfahren skizziert werden. Die Knackpunkte des Landesvergabegesetzes werden sodann jeweils mit Kapiteln u.a. zu Tariftreue und Mindestlohn, ILO-Kernarbeitsnormen, Frauenförderung, Ausbildungsbetrieben, Energieeffizienz bis hin zu Fair-Trade, Gütezeichen und Zertifizierungen umfassend vorgestellt und beleuchtet. In den Kapiteln wird dabei auch jeweils auf die praktischen Anforderungen an Eigenerklärungen bzw. besondere Vertragsbedingungen und Dokumentation eingegangen.

Den Titel eines Praxishandbuchs verdient das Werk zu Recht. Für nahezu alle Bereiche werden konkrete Praxisfragen und Fälle aufgegriffen und diese um Checklisten ergänzt. Damit eignet sich das Buch sowohl für Neueinsteiger im Bereich Beschaffung als auch für erfahrene Einkäufer in der Öffentlichen Hand gleichermaßen zum „Durcharbeiten“ wie zum Nachschlagen einzelner Fragen.

Über den Autor

Der Autor ist Prof. Dr. jur. Christopher Zeiss, Professor für Staats- und Europarecht an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW (Bielefeld, Gelsenkirchen) und hat einen Lehrauftrag für Vergaberecht an der Universität Potsdam, ehemals Referent im Bundesministerium der Justiz (BMJ, Berlin) für Vergabe- und Kartellrecht, Richter am AG Bad Hersfeld und LG Limburg sowie Rechtsanwalt und Of Counsel im Vergaberecht in Bonn, Marburg und Leipzig. Der Verfasser kommt nicht aus dem akademischen „Elfenbeinturm“, sondern aus der Beschaffungspraxis. Das wird für die Leser auch am lebendigen und mit vielen Praxisbeispielen angereicherten Schreibstil erkennbar.

Unser Fazit

Auch wenn wir uns mit vergaberechtlichen „Lesetipps“ schwer tun: Für das Praxishandbuch „Landesvergaberecht NRW – der richtige Umgang mit TVgG NRW & Co. in der Praxis“ machen wir gerne eine Ausnahme. Das Werk ist für Einsteiger in der öffentlichen Beschaffung und für erfahrene Einkäufer gleichermaßen als Wegweiser durch das juristische Minenfeld Beschaffung in NRW zu empfehlen.