Wappenzeichen Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz hat die Verwaltungsvorschrift zum Öffentlichen Auftragswesen novelliert. Die Neufassung ist am Montag, 6. September 2021 im Ministerialblatt der Landesregierung erschienen und wird am Folgetag in Kraft treten. Sie enthält unter anderem den Anwendungsbefehl für die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und gestraffte Bestimmungen zur nachhaltigen Beschaffung.

I. Vergabeverfahren

Mit Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift wird auch in Rheinland-Pfalz die beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb der öffentlichen Ausschreibung gleichgestellt.

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und die Verhandlungsvergabe oder freihändige Vergabe werden nunmehr durch § 8 Abs. 3 und 4 ­UVgO und § 3a Abs. 2 und 3 VOB/A geregelt.

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II. Auftragswertgrenzen

Die Verwaltungsvorschrift übernimmt die folgenden Auftragswertgrenzen, wie sie bereits durch Rundschreiben vom 17. Juli 2019 in Kraft gesetzt wurden:

  1. Verhandlungsvergaben bis zu 40.000 Euro (§ 8 Abs. 4 Nr. 17 ­UVgO),
  2. beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb bis zu 80.000 Euro.

Bei öffentlichen Aufträgen über Bauleistungen sind ohne weitere Einzelbegründung zulässig:

  1. freihändige Vergaben bis zu 40.000 Euro (abweichend von § 3a Abs. 3 Satz 2 VOB/A),
  2. beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb bis zu 200.000 Euro (abweichend von § 3a Abs. 2 Nr. 1 lit. a bis c VOB/A).

III. Sonderregelungen

Sonderregelungen sind vorgesehen für

  • die Beschaffung preisgebundener Bücher,
  • für Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht werden – insbesondere Planungsleistungen
  • sowie für die Vergabe von Konzessionen im Unterschwellenbereich.

Im Fall der Beschaffung preisgebundener Bücher beispielsweise gilt, dass im Unterschwellenbereich die UVgO regelmäßig keine Anwendung findet. Die haushaltsrechtlichen Bestimmungen bleiben hiervon unberührt. Nach § 55 Abs. 1 LHO und § 22 Abs. 1 GemHVO muss dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen beziehungsweise der Vergabe von Aufträgen eine öffentliche Ausschreibung oder eine beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Für das Vorliegen dieser Ausnahmesituation bedarf es grundsätzlich einer Prüfung im Einzelfall. Bei der Beschaffung preisgebundener Bücher kann generell davon ausgegangen werden, dass der Ausnahmetatbestand erfüllt ist. In diesen Fällen können Aufträge in einem wettbewerbsoffenen Verfahren vergeben werden. Auch kann in geeigneten Fällen das Instrument der Rahmenvereinbarung genutzt werden. Bis zu einem Auftragswert von 10.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) dürfen öffentliche Aufträge über die Beschaffung von preisgebundenen Büchern direkt an ein Unternehmen vergeben werden.

IV. Eignung und Präqualifizierung

Hinsichtlich der Eignung von und der Anforderungen an Unternehmen gelten mit Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift die Bestimmungen der Vergabeverfahrensordnungen (UVgO, VOB/A).

Klarstellend wird geregelt, dass – ergänzend zu §§ 31 bis 36 ­UVgO und §§ 6 a und 6b VOB/A – Anforderungen „mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis“ stehen müssen. Sie sind bei öffentlichen Ausschreibungen und Verfahrensarten mit Teilnahmewettbewerb bereits in der Auftragsbekanntmachung, und bei den übrigen Vergabearten in den Vergabeunterlagen aufzuführen.

Der Auftraggeber kann je nach Art und Umfang des Auftrags auf bestimmte Vorgaben und auch auf die Vorlage von Einzelnachweisen verzichten.

Im Rahmen der Präqualifizierung sind Eintragungen in den folgenden Registern und Listen anzuerkennen und nur in begründeten Fällen in Zweifel zu ziehen (Eignungsvermutung):

  • anerkannte Register eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines nach dem Recht der Europäischen Union gleichgestellten Vertragsstaates,
  • die Liste des anerkannten Vereins für Präqualifikation von Bauunternehmen e. V.,
  • das Präqualifikationsregister der Auftragsberatungsstelle Hessen e. V.,
  • das amtliche Verzeichnis der Industrie- und Handelskammern.

V. Mittelstand und KMUs

Die in Rheinland-Pfalz bereits gültigen Bestimmungen zur Beteiligung der mittelständischen Wirtschaft sind größtenteils übernommen worden. Demnach soll insbesondere die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen am Wettbewerb sichergestellt werden, indem der Vergabe regelmäßig eine öffentliche Ausschreibung oder eine beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb vorausgeht.

Bei beschränkter Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und bei Verhandlungsvergabe oder freihändiger Vergabe sollen kleine und mittlere Unternehmen „in angemessenem Umfang“ zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.

Die Teilnahme von Bewerber- und Bietergemeinschaften soll unter den gleichen Bedingungen wie die von einzelnen Bewerbern und Bietern zugelassen werden.

VI. Nachhaltige und innovative Beschaffung

Komplett neu gefasst und deutlich gestrafft wurden die Bestimmungen zur nachhaltigen Beschaffung. Hier wird dem Land und seinen Untergliederungen eine Vorbildfunktion zugeschrieben.

Soziale, umweltbezogene wie auch innovative Aspekte können demnach in allen Phasen einer Beschaffung einbezogen werden: von der Leistungsdefinition über die Festlegung von Eignungs- und Zuschlagskriterien bis hin zur Vorgabe von Ausführungsbedingungen.

Hinsichtlich sozialer Kriterien schreibt die Verwaltungsvorschrift fest, dass keine Leistungen Gegenstand des Auftrags sein sollen, die unter Missachtung der in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) festgelegten Mindeststandards gewonnen oder hergestellt worden sind. Hier kann in begründeten Fällen eine Eigenerklärung verlangt werden.

Bei der Wertung von Angeboten sollen Unternehmen bevorzugt werden, die Ausbildungsplätze bereitstellen oder sich an der beruflichen Erstausbildung beteiligen, oder jeweils umfassendere Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben durchführen.

VII. E-Vergabe und Dokumentation

Für die Kommunikation zwischen den Vergabestellen und den an einem Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen gelten die Vorgaben der Vergabeverfahrensordnungen (UVgO, VOB/A). Während für Liefer- und Dienstleistungen grundsätzlich elektronische Kommunikation vorgesehen ist, bleibt es bei Aufträgen über Bauleistungen den Vergabestellen überlassen, welchen Kommunikationsweg sie wählen.

Aus verfahrensökonomischen und korruptionspräventiven Gründen wird aber empfohlen, alle Vergabeverfahren über eine E-Vergabeplattform abzuwickeln. Vergabestellen der unmittelbaren Landesverwaltung und der landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts nutzen für die elektronische Durchführung öffentlicher Beschaffungen die Vergabeplattform des Landes Rheinland-Pfalz als Vergabemarktplatz (VMP) auf Basis der cosinex Technologie.

Das den vorgenannten Nutzern des VMP optional zur Verfügung stehende Vergabemanagementsystem (VMS) unterstützt die digitale rechtskonforme Abwicklung des gesamten internen arbeitsteiligen Vergabeprozesses.

Vergabeverfahren über Liefer- und Dienstleistungsaufträge mit einem geschätzten Auftragswert bis 20.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) können für eine Übergangszeit (bis zum 31. Mai 2022) auch mittels einfacher E-Mail durchgeführt werden.

In Anlehnung an die bisher geltende Regelung sind Vergabeunterlagen (Dokumentation, Angebote, Teilnahmeanträge und ihre Anlagen) für mindestens fünf Jahre nach Vorlage der Schlussrechnung aufzubewahren. Das Vergabeverfahren ist entsprechend § 6 UVgO beziehungsweise § 20 VOB/A von Beginn an fortlaufend in Textform zu dokumentieren.

VIII. Wettbewerbsregister, Vergabestatistik und Beratungsstelle

Neben der Einführung des bundesweiten Wettbewerbsregisters berücksichtigt die Verwaltungsvorschrift ferner die Vergabestatistik im Unterschwellenbereich.

Die Datenübermittlung im Unterschwellenbereich soll dabei sowohl automatisiert per Datenschnittstelle aus einem IT-System beziehungsweise Fachverfahren als auch manuell erfolgen können. Die Datenübermittlung hat gemäß § 1 Abs. 2 ­VergStatVO binnen 60 Tagen nach Zuschlagserteilung an das Statistische Bundesamt zu erfolgen.

Als Beratungsstelle bleibt die IHK/HWK Europa- und Innovationscentre Ansprechpartnerin für Unternehmen. Sie benennt zudem bei beschränkten Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb und Verhandlungsvergaben oder freihändigen Vergaben ab Auftragswerten über 5.000 Euro geeignete Unternehmen.

IX. Inkrafttreten

Die Neufassung der Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach der Veröffentlichung im Ministerialblatt der Landesregierung von Rheinland-Pfalz in Kraft – also am Dienstag, 7. September 2021.

Die bisherige Verwaltungsvorschrift vom 24. April 2014 wird als Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Beschaffungswesen in Rheinland-Pfalz“ fortgeführt und überarbeitet werden.

X. Hinweise für Nutzerinnen und Nutzer unserer Lösungen

Unsere Lösungen bieten bereits die Funktionen, um allen wesentlichen Anforderungen der neuen VV nachzukommen. Vergabestellen der unmittelbaren Landesverwaltung empfehlen wir für erforderliche Konfigurationsänderungen sowie bei Rückfragen eine Kontaktaufnahme mit dem für die Landeslösungen zuständigem Betreiber, dem Landesbetrieb Daten und Information.

Kommunen sowie sonstigen öffentlichen Auftraggebern stehen für die entsprechenden Konfigurationsänderungen die bekannten Ansprechpartner in unserem Hause gerne zur Verfügung.